Vor uns liegt eine ganz neue Dekade. Unberührt liegt sie da, wie eine frisch berieselte Schneelandschaft. Jede und jeder von uns allen tritt Spuren in diesen Schnee.
Wir entscheiden, wie diese Spuren, die wir hinterlassen, aussehen werden. Eventuell nicht ganz unwichtig zu wissen, dass die Spuren anderen zur Orientierung dienen. Und auch nicht ganz unwichtig: Ein komplettes Durcheinander aus Salzstreuschneematsch, Kackhaufen und zertretenem Wuthass sieht scheisse aus.
Hier kommen ein paar ´Vielleichts´. Jedes Vielleicht ist vielleicht ein Schritt.
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• Vielleicht sollte man mehr auf Konzerte gehen, obwohl man eigentlich keine Lust hat, auf ein Konzert zu gehen.
Da spielen Bands, die, bevor sie auf die Bühne gegangen sind, in kalten, siffigen Proberäumen gestanden haben und geübtgeübtgeübt haben.
Und manchmal gibt es Konzerte, die der absolute Knaller sind und sich spontan in die Hirnrinde einbrennen. Am besten sind übrigens die Konzerte, bei denen das Smartphone in der Tasche bleibt.
• Vielleicht sollte man mehr Bücher lesen. Auch von Autoren, die einem nicht unbedingt liegen. Vielleicht auch mal ein Sachbuch, nicht nur den neuesten Horrorsplatterthriller. Viele Autorinnen und Autoren zerreißen sich beim Schreiben. Jedes Buch wird mit Hingabe und Leidenschaft geschrieben. Na gut. Fast jedes. Aber es gibt so viele tolle Autorinnen und Autoren, die entdeckt werden wollen.
• Vielleicht sollte man ab und zu mal etwas essen, was man noch nie vorher gegessen hat. Und vielleicht sogar selbst kochen. Irgendwas mit Kurkuma, Wolàtnyi-Wurzeln oder Birkenrindensaft. Oder Tomaten. Oder Kartoffeln.
• Vielleicht sollte man nicht mehr von Fleischverzicht sprechen. Sondern von Gemüsedazugewinn.
• Vielleicht sollte man ab und zu mal einen Umweg nehmen. Oder den üblichen Weg viel langsamer zurücklegen. Oder mal ein anderes Transportmittel nehmen: das Fahrrad oder die Bahn oder die Füße. Oder, wenn man immer Fahrrad fährt: auch mal das Auto. Ein Perspektivwechsel ab und zu ist wirklich nicht schlecht.
• Vielleicht sollte man keine Bilder mehr von Kindern posten, die beim Essen eingeschlafen sind und den Kopf voll niedlich in die Pommes mit Mayo gelegt haben. Vor allen Dingen, wenn man selbst jemand ist, die oder der durchdreht, wenn von ein Foto von sich mit Doppelkinn im Netz zu sehen ist.
• Vielleicht sollte man versuchen, Plastik zu vermeiden, wo man Plastik vermeiden kann. Zum Beispiel im Badezimmer: ein Stück Seife hält bedeutend länger als eine Pulle Duschgel. Also richtig viel länger – bestimmt 20 Mal länger.
• Vielleicht sollte man den Leuten viel häufiger mal die Tür aufhalten. Ganz einfach , weil es nett ist.
• Vielleicht sollte man mehr lernen. Irgendwas, einfach den Horizont erweitern.
• Vielleicht sollte man „das mit dem Gendern“ einfach mal zur Routine werden lassen. Weil es respektvoll und sinnvoll ist. Und wenn man schon dabei ist: vielleicht sollte man auch alles dafür tun, dass diese dumme Ungleichberechtigung verschwindet.
• Vielleicht sollte man viel häufiger mal Regenwürmer retten, die auf Gehwegplatten entlangglitschen und versuchen, irgendwie in die Erde zu kommen.
• Vielleicht sollte man den Mund aufmachen, wenn andere Leute etwas Tendenziöses / Rassistisches / Sexistisches / Homophobes / Herabwürdigendes von sich geben. Vielleicht ist man in dem Moment der Partypooper. Aber wenn man abends in den Spiegel guckt, ist das Partypoopergefühl nicht mehr so schlimm.
• Vielleicht sollte man mal mit einer oder einem Obdachlosen reden und fragen, ob man irgendwas mitbringen kann.
Vielleicht sollte man auch mal mit sehr erfolgreichen Menschen reden und fragen, wovon sie zu viel und wovon sie viel zu wenig haben. Ist bestimmt interessant.
• Vielleicht sollte man die Meinungen anderer akzeptieren, auch wenn sie nicht die eigene ist.
• Vielleicht sollte man standhaft bleiben – aber nicht erstarren, nur um unbedingt standhaft zu bleiben.
• Vielleicht wären mehr Zwischentöne gut.
• Vielleicht sollte man viel häufiger singen. Laut und schief. Egal. Raus damit.
• Vielleicht sollte man sich ab und zu eine ganze Tafel Schokolade reinzimmern. Und niemandem etwas davon abgeben.
• Vielleicht sollte man nicht die eigene Wahrheit zur Wahrheit für alle machen.
• Vielleicht sollte man viel mehr akzeptieren. Aber nicht alles.
• Vielleicht sollte man viel häufiger daran denken, dass wir das unfassbar große Glück haben, in Frieden leben zu dürfen. Seit 75 Jahren. Das ist alles andere als selbstverständlich.
Genau wie fließend Wasser, Strom und eine sehr anständige Infrastruktur auch nicht unbedingt selbstverständlich sind.
• Vielleicht sollte man häufiger mal die eigene Komfortzone verlassen. Auch wenn es nur kurz ist.
• Vielleicht sollte man viel mehr lieben. Und viel weniger hassen. Und auch nicht so viel meckern, sondern mehr wundern.
• Vielleicht sollte man mehr miteinander reden. Statt übereinander herfallen.
• Vielleicht sollte man viel weniger Angst haben. Denn Angst ist kein guter Motor.
Der Angstmotor bringt uns nicht durch eine ganze Dekade.
Und vielleicht braucht man viel weniger ´vielleicht´, sondern viel mehr ´auf jeden Fall!´
Simply: ❤!
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